„Rettung“ in unwegsamem Gelände
01.12.14 (Allgemein)
Mit Blaulicht und heulender Sirene rückten am Samstag die Kameraden der Bergwacht Lenninger Tal zu ihrer Hauptübung aus. Nahe der Grabenstetter Steige war es im Wald beim Wachtelberg zu einem „Unfall“ gekommen.
Grabenstetten. Es war ein typischer Einsatz für die Bergwacht, die überall dort tätig wird, wo das Gelände unwegsam ist. Schon von Weitem sahen die Rettungskräfte einen Mann, der die Arme hin und her schwenkte. Einsatzleiter Maximilian Groh sprang aus dem Wagen. „Wir wollten einen Baum fällen, der ist aber abgebrochen und hat meinen Bekannten unter sich begraben“, erzählte der Privatwaldbesitzer aufgeregt. Maximilian Groh erkundete daraufhin die Lage.
Unterdessen legten die übrigen Kameraden eilig ihre Klettergurte an. Seil- und Rücksäcke für die medizinische Versorgung wurden ins Freie geräumt. Auch die Freiwillige Feuerwehr Lenningen war alarmiert worden. „Das ist unsere erste gemeinsame Übung“, berichtete Jürgen Bosler. „Während wir bei der Bergwacht mit einem Vier-Meter-Funk arbeiten, nutzt die Feuerwehr einen Zwei-Meter-Funk. Deshalb ist es wichtig, die Herausforderungen, die sich bei der Kommunikation ergeben, zu lokalisieren und zu meistern.“ Aber auch Logistikfragen standen im Mittelpunkt der Simulation. „Schließlich gilt es auch im Ernstfall, die umfangreiche und schwere Ausrüstung der Feuerwehr im unwegsamen Gelände zum Einsatzschwerpunkt zu transportieren“, so der Bergwacht-Angehörige weiter. „Die Übung soll zeigen, wo hier gegebenenfalls noch weitere Optimierungspotenziale bestehen.“
Zwischenzeitlich fixierte Klaus Schmid an der oberen Kante des rund 60 Grad steilen Hangs ein Seil an einem Baum. Vorsichtig stieg er auf dem rutschigen und steinigen Untergrund das Gefälle hinunter. Alle 15 Meter warf er das 120 Meter lange Seil mehrmals um einen Baum, bevor er sich weiter durch das abschüssige Gelände zu dem Verletzten vorarbeitete. Auf diese Weise installierte er ein Geländerseil an dem sich die anderen Einsatzkräfte sicher durch das Terrain bewegen konnten.
Als Klaus Schmid nach rund zehn Minuten zum Einsatzfahrzeug zurückkehrte, informierte er seine Kameraden darüber, welche Ausrüstungsgegenstände für die Bergung notwendig sind. Schnell wurde daraufhin in aller Eile eine Gebirgstrage zusammengebaut und am oberen Ende an der Seilsicherung befestigt. Am ihrem unteren Ende fixierte Dieter Haußmann das Rettungsgerät an seinem Klettergurt, bevor er die Griffe der Gebirgstrage fest mit seinen Händen umschloss und mit ihr zum Unfallort vordrang. Seine Kameraden hatten dort bereits den rund 800 Kilo schweren Baumstamm mit mehreren Seilen fixiert, um ein Abrutschen zu verhindern.
Auch Dr. Volker Roßmann vom Kirchheimer Krankenhaus machte sich auf den Weg nach unten. Mit Hilfe der Bergwacht stieg der Notarzt das Geländerseil zum Patienten hinab. Der Verletzte war bei Bewusstsein. Er klagte über starke Schmerzen im Beckenbereich. „Das Bein spürt der Patient nicht, er kann es aber bewegen“, erklärte Roßmann. „Deshalb ist davon auszugehen, dass eine Verletzung im Bereich der Lendenwirbel vorliegt.“ Am Kopf des Verunglückten konnte der Mediziner keine Verletzungen feststellen. Auch über Übelkeit klagt der Patient nicht. Ein Schädel-Hirn-Trauma ließ sich deshalb ausschließen. „Aufgrund des Hüfttraumas würde man den Verletzten im Ernstfall aber trotzdem mit einem Hubschrauber abtransportieren.“
Zwischen Verbandsmull, Blutdruckmessgerät, Stethoskop, Halswirbelsäulenstütze und anderen medizinischen Ausrüstungsgegenständen suchte Volker Roßmann im Arztrucksack der Bergwacht nach einer Ringer-Acetat-Lösung. Mit der Infusionslösung stabilisierte der Mediziner den pH-Wert des Bluts. Darüber hinaus verabreichte er Beruhigungsmittel, damit der Verletzte die belastende Situation leichter bewältigen konnte. Kurz darauf stiegen die Lenninger Floriansjünger den Steilhang hinunter. Dabei lösten sich einige Steine, die mit hohem Tempo ins Tal stürzten. „Solche Gefahrenquellen müssen bei der Arbeit ständig einbezogen werden“, betonte Jürgen Bosler. „Deshalb ist es wichtig, dass die Kameraden sich in sicherer Entfernung abseilen, damit niemand von den Steinen getroffen wird.“ Mit einem Luftkissen hoben die Feuerleute den Stamm an. Dann begannen sie ihn mit der Motorsäge zu zerlegen, sodass der Verletzte geborgen werden konnte. Mit vereinten Kräften hievten die Kameraden der Bergwacht Lenninger Tal den Patienten in die Gebirgstrage. Mittels einer Vakuummatratze, aus der Luft abgesaugt wurde, um sie dem Körper des Verunglückten anzupassen, ließ sich der Abtransport am Steilhang erschütterungsarm bewerkstelligen.
Nach rund vier Stunden war die Hauptübung beendet. „Die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr funktionierte hervorragend“, bilanzierte Jürgen Bosler. „Es sind keine sicherheitsrelevanten Fehler aufgetreten – und das spricht für den hohen Ausbildungsstand der Bergwacht und der Feuerwehr.“
Artikel aus dem Teckboten, Ausgabe 01.12.2014
Verfasser: Daniela Haußmann